Exhibition: Amira Fritz

Opening: 6.9.2016, ore 19
Amira Fritz wird anwesend sein.
Ausstellung: 7.9. – 15.10.2016

Amira Fritz

Amira Fritz

Betrachten mit leiser Stimme

Irgendjemand hat sich einmal als „ein Träumer von Worten, ein Träumer geschriebener Worte“, bezeichnet, so wie es der Philosoph Gaston Bachelard getan hat. Amira Fritz hingegen ist eine Träumerin von Bildern, schwebenden Stimmungen, harmonischen Landschaften und zarten Blüten sowie von Gesichtern und Menschen, die den Betrachter aus einem unerreichbaren und verzauberten Anderswo mustern. Ihre Fotografien lassen (ebenso wie die Worte Bachelards) die schwere Last hinter sich, die sie an die Zeit und die Realität bindet und öffnen sich dem Traum, den Emotionen und einer poetischen Geographie, in der Reisen die Fähigkeit ist, auf etwas treffen zu können ohne es zu enthüllen. Amira Fritz hat einen langen Weg von Shanghai bis nach Paris zurückgelegt. Sie hat die Mongolei durchquert, hat die Ufer des Baikalsees erreicht und dann die Türkei, Rumänien, Ungarn, Deutschland und Frankreich bereist. Ob sie mit dem Flugzeug gereist ist oder sich mit dem Auto, mit Bussen oder zu Fuß fortbewegt hat, ist dabei nicht von Bedeutung. Was zählt, ist, dass sie anzuhalten und in Ruhe vor in Nebelwolken gehüllten Kiefernwäldern, hitzeflirrenden Steppenlandschaften, strengen und konzentrierten Blicken, unüberwindbaren schwarzen Mauern gleichenden Lavawänden und mit winzigen Blüten übersäten Pflanzen zu verharren wusste. Nur so, durch langes Warten auf eine leise Stimme, konnte sie die feinen Bänder, die stille Schutzhülle der Welt, welche die Dinge umgibt und den Blick und das Erinnerungsvermögen verbindet, verknüpfen. Sie hat die naive Vorstellung, dass das Sichtbare die unmittelbare Realität ist, hinter sich gelassen. Ihre Werke bewahren somit die Geheimnisse des Blicks, der sich nur dem Rand des Unsichtbaren nähern kann, indem er sich durch eine kontemplative Langsamkeit hineinziehen lässt.

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz‘ Reise, deren eigentliches Ziel es war, die minimalistischen Kleider der chinesischen Stylistin Lin Li (JNBY) fotografisch zu erzählen, wurde so zu einer inneren Erzählung, bestehend aus zarten Bildern, auf denen die Realität nicht mehr in ihrer dunklen, nüchternen Schwere erscheint, sondern sich vielmehr einer verborgenen, beschwörenden und leichteren, von neuem Licht durchdrungenen Dimension öffnet. Einer Halbschattendimension, die schwebend in einer pendelnden Zwischenzeit in eine Vergangenheit abgleitet, in der die Welt noch ihren Zauber und ihre Magie bewahrt und Gedanken an antike nahezu heilige Bilder entstehen können. Die Fotografin blickt auf die Welt, indem sie die Wahrnehmung mit dem Wachrufen von Geschehenem überlagert und damit in Echos und geflüsterte Anspielungen getunkte Bilder entstehen lässt. Ihre in gedämpftes Licht getauchten, bläulichen Fotografien scheinen einen Hinweis darauf zu geben, dass sie ihre Umgebung nicht direkt, sondern diskret hinter einem unberührbaren Schleier von Erinnerungen und Emotionen sieht. Beim Betrachten ihrer Fotografien hat man die Vorstellung, dass sie die Welt durch die bunten Glasscheiben, die der Maler Claude Lorrain gerne benutzte, um seinen Landschaften einen weichen und anheimelnden Ton zu verleihen, wahrnimmt. Ihr Sehen ist in der Tat mehr ein Bewahren als ein Beobachten. Es ist ein Erahnen, ein Zögern im Zeichen der Achtsamkeit, ein Empfangen von Bildern, die frei sind von schrillen Tönen und von jeder Schwere entlastet sind.

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

In unserer nüchternen, von lauten Bildern mit oberflächlichen Informationen geprägten Realität schafft sie flüsternde Visionen, die uns durch ihre Zurückhaltung, ihre schwebende, zarte Magie, beeindrucken. Ihr Blick ist nicht fordernd oder arrogant, er ist einzig und allein anmutig. Daran gewöhnt, durch die sichere Gewissheit großspuriger Bilder in unseren Vorurteilen bestätigt zu werden, lösen die Werke von Amira Fritz bei uns Verwirrung aus. Ihre Werke berühren uns, sie bewegen uns durch ihre bestimmte Unbestimmtheit, der Fähigkeit ohne Worte etwas zu suggerieren und dabei etwas Geheimnisvolles nicht Greifbares zu bewahren. Der Betrachter wird so eingeladen, in den verwunschenen Raum ihrer Bilder einzutreten und behutsam in einer Aura von Erinnerungen und Tagträumen durchdrungener Zeitlichkeit zu verweilen. Gewiss, es handelt sich um einen Zauber, allerdings um einen Zauber, der als eine Form des Widerstands, die Welt nicht auf die reine unmittelbare Offensichtlichkeit der Tatsachen und Dinge zu reduzieren, verstanden werden muss. Es ist also keine künstliche und aufgesetzte Magie, die uns affektierte und vermeintlich poetische Visionen aufdrängen soll, sondern jene Fähigkeit – die einige visionäre, aber nicht emphatische Fotografien inne haben – uns die Dinge anders zu zeigen als wir sie üblicherweise sehen oder denken. Sie verfolgt das Ziel, uns eine unerwartete Tiefe und geheimnisvolle Komplexität zu offenbaren, die sich hinter der scheinbaren Einfachheit der äußeren Erscheinung, der Oberfläche verbirgt. Nicht die Welt und die von Amira Fritz bereisten Orte an sich sind geheimnisvoll: Vielmehr sind es ihre unbestimmten, schwebenden Bilder, die einen Raum der Faszination schaffen. Es ist das vom Zauber durchdrungene Bild, das unseren Blick verführt und uns ihre Reise ohne Grenzen verfolgen lässt.
Gigliola Foschi

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Exhibition view, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Opening, credit: Claudia Corrent

Amira Fritz, Opening, credit: Claudia Corrent

 

 

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Exhibition supported by Fujifilm and gOLab

Exhibition supported by Fujifilm and gOLab

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