Exhibition: Anush Hamzehian Vittorio Mortarotti – Eden
Opening: 6.12.16, 19 Uhr
Kuratiert von: Stefano Riba
Ausstellung: 7.12.16-21.1.17
Der Titel der Arbeit, Eden, klingt nach dem Garten, aus dem der Mensch verjagt wurde. Nach dem verlorenen Paradies, vor dem John Miltons Erzengel flieht und verkündet: „Besser in der Hölle herrschen, als im Himmel dienen“. Das Eden, von dem Anush und Vittorio erzählen, nennt sich Agarak und ähnelt mehr der Miltonschen Hölle als dem biblischen Paradies.
Agarak ist die letzte armenische Ortschaft vor der Grenze zum Iran. Die zahlreichen Lastwagen, die hier durchfahren, sind mit Petrolium, Drogen oder dem hier reichlich vorhandenen Mineralstoff Molybdän, der für die Waffenindustrie wichtig ist, beladen. Als ein Durchzugsort für die meisten, bietet er seinen 4900 Einwohnern kaum Alternativen. Wer hier lebt, ist entweder Minenarbeiter (und schürft nach dem genannten Molybdän), russischer Soldat (zuständig für die Sicherung der Grenze nach Aserbaidschan), Prostituierte oder Alkoholhändler (zuständig für die Gelüste von Soldaten, Lastwagenfahrern oder gesetzesmüden Iranern), ein ultranationalistischer Veteran, geprägt durch die ständige Bedrohung feindlich gesinnter Nachbarstaaten (hier die Türken und dort die Azeri) oder ein Jugendlicher, der sich nichts sehnlicher als fort von hier wünscht.
Für ihre Werkreihe Eden, bestehend aus 10 großformatigen Fotografien, einem Video und einer 3Kanal-Videoinstallation, wählten Anush und Vittorio diesen Ort nicht zufällig. Anush ist der Sohn eines iranischen Auswanderers und wurde 1979, im Jahr der Islamischen Revolution auf der letzten Reise seiner Eltern in den Iran in Tabriz geboren. Im März 2014 beschlossen Anush und Vittorio gemeinsam, sich so nah wie möglich diesem seinem Herkunftsland zu nähern, in das er bis heute wegen der politischen Aktivitäten seines Vaters nicht einreisen durfte. Einen Monat lang verbrachten sie an der armenisch-iranischen Grenze und sahen von hier aus beide zum ersten Mal den Iran, seine Berge, den Fluss Aras und eine Straße, auf der man nach wenigen Kilometern kurviger Fahrt nach Tabriz gelangt. Entstanden ist eine Arbeit, die ausgehend von autobiografischen Umständen zu einer universellen Reflexion über Grenzen und deren Verteidigung, über Heimatgefühl und Reisefreiheit bzw. der Beschränkung von Freiheit geraten ist.
Die drei Fragen, die sich die Künstler selbst und anderen, die sie kennenlernten, stellten, lauten: Warum reisen wir? Warum bleiben wir? Wie stellen wir uns das Paradies vor? Die filmisch aufgezeichneten Antworten finden sich in der Videoinstallation, die die Fotoserie begleitet und ergänzt. Sie geben Aufschluss über ein Leben zwischen den Fronten, inmitten sich feindlich gegenüber stehender Nationen, das Gefühle von Isolation und Klaustrophobie hervorruft, aber auch ein großes Bedürfnis nach Freiheit, nach Befreiung von den politisch, religiös und historisch bedingten Zwängen.
In diesen Kontext gestellt, wird die Ambivalenz des Titels erkennbar und wir begegnen im Garten Eden auch seiner indogermanischen Wurzel und ursprünglichen Bedeutung, garten im Sinne von Umzäunung. Der bukolisch unbefleckte Ursprungsort generiert zu einem Unort zwischen Grenzen und Begrenzungen.
Stefano Riba
Anush Hamzehian (1980) lebt als Filmemacher in Paris. Zu seinen Filmen zählen: Après (2014), L’Académie de la Folie (2014), Les Enfants de l’Odyssée (2012), Le Jardin des Merveilles (2011), La main et la voix (2009). 2014 wurde er mit dem „Louis Lumière“ des Pariser Institut Français ausgezeichnet.
Vittorio Mortarotti (1982), erste internationale Einzelausstellung 2008 beim Festival Photomonth in Krakau. Im selben Jahr Ausstellung im Fries Museum von Leeuwarden in Holland im Rahmen der von Wim Melis kuratierten Ausstellung „Behind Walls“. 2010 schlägt ihn Laura Serani für das Projekt „Italian Emerging Photography” vor, das beim Mois de la Photo in Paris präsentiert wird. 2012 nimmt er mit einer Arbeit, die während eines Künstleraufenthalts in Gent/Belgien entstanden ist, an der neunten Ausgabe der Manifesta teil; 2013 erste Einzelausstellung in Italien in der Galerie Van Der in Turin; 2015 Ausstellung einzelner Arbeiten bei Arsenal in Metz. Teilnahme am Wettbewerb „GrandPrix Fotofestiwal” von Lodz (2012) und für „Descubrimientos” beim Festival PhotoEspana in Madrid (2013). Sein Buch The First Day of Good Weather wurde für „The First Book Award 2015 – MACK” ausgewählt und im November desselben Jahres bei Skinnerboox publiziert.
Gemeinsame Ausstellungen in Frankreich, Spanien, Italien und der Schweiz, wo sie kürzlich den „Leica Prize“ beim Festival Images von Vevey gewonnen haben. Aktuell arbeiten sie gemeinsam an einem Dokumentarfilm „Mr. Kubota“ und an der neuen Serie „Most were silent“.